Keine Weniger! – Was ist ein Femizid?
Rede
„Ein Familiendrama, ein eskalierter Partnerschaftsstreit, ein Mann schlägt betrunken seine Frau tot.“ Egal ob sprachlich, journalistisch oder juristisch – das Morden an Frauen wird permanent relativiert. Aber es ist kein Einzelfall, es ist nicht ein „unglücklicher Ehemann“. Es ist die absolute Zuspitzung einer patriarchalen Gewalt und der Machtposition von Männern. Eine Frau zu ermorden, weil sie eine Frau ist. Das ist ein Femizid. Nicht mehr und nicht weniger. Es ist Hass gegen Frauen, es ist Gewalt, es ist Mord an einem Geschlecht. Dafür gibt es keine Erklärung wie sie hätte Schande über die Familie gebracht, sie sei schwanger gewesen, sie sei minderwertig wegen ihrer Herkunft, sie sei ihren Aufgaben im Haus nicht nachgekommen, sie sei einem anderen Mann zu nahegekommen, sie sei lesbisch gewesen, sie sei nicht mehr an ihm interessiert gewesen, sie hätte sich trennen wollen. Es gibt nur eine Erklärung: Frauenhass. 2018 gab es 142 Partnerschaftsmorde in Deutschland, 83% der Toten waren Frauen, das bedeutet alle 79 stunden passiert in Deutschland ein Femizid. 50.000 Frauen wurden 2017 weltweit aufgrund ihres Geschlechts ermordet – das sind 137 Frauen pro Tag weniger auf diesem Planeten wegen Frauenhass. Also nein, es ist nicht ein Betrunkener, ein Eifersüchtiger, der nette Typ von nebenan der einmal durchdreht. Es hat System, es hat einen Kern und der heißt Patriarchat. Aber nicht nur die Berichterstattung und unser sprachlicher Umgang ist falsch. Auch die juristische Verfolgung. Anstatt Femizid als eigenen Tatbestand zu handhaben, als das was es ist, geschieht eine Einteilung in Mord und Totschlag. Der Mord ist als etwas geplantes definiert, etwas was nicht greift, wenn Männer Frauen im Effekt, oder gar betrunken ermorden. Mit dem Urteil des Totschlags erwartet Männer eine niedrigere Haftstrafe und das Hinrichten von Frauen in diesem Land wird relativiert. Argumente der Verteidigung der Mann hätte sich ja auch selbst mit dem Verlust der Frau geschadet, er hätte sich damit selbst weh getan, rücken die tat in ein anderes Licht, in ein Licht des Mitleids gegenüber dem Täter. Es wird deutlich was die Frau hier und immer ist: Ein Eigentum, eine untergeordnete Position, eine Rolle die Aufgaben zu erfüllen hat, und etwas das man loswerden darf, wenn sie dem nicht nachkommt. Eine Bedienerin, eine Sorgekraft, eine Last und eine Leiche. Frauen werden ermordet und Männer kommen mit Totschlag verharmlost davon. Und der Staat schaut zu, Frauen werden nicht genug geschützt, auch Deutschland erfüllt die Ansprüche der unterzeichneten Istanbul-Konvention für Prävention und Verfolgung von Gewalt an Frauen nicht. 14.600 Plätze in Frauenhäusern fehlen, nur zwei Bundesländer erfüllen den Maßstab, oft finanziert durch freiwillige Leistungen. Es fehlt ein rechtlicher Anspruch, Frauen deren Aufenthaltsstatus von einem Mann abhängt, haben keinen; jede vierte Frau wird vom Frauenhaus abgewiesen, der gefährlichste Ort auf der Welt für eine Frau, ist ihr eigenes Zuhause. Das Fazit kann nur eines bedeuten: Es ist kein Familiendrama, es ist kein eskalierter Partnerschaftsstreit. Es ist ein Versagen, es ist ein Wegschauen und es ist ein System. Es ist Männlichkeit in all seiner Tiefe: Es sind Werte wie Macht, Gewaltbereitschaft, Überlegenheit, Stärke, Loyalität und das klare Abgrenzen von „dem anderen Geschlecht“. Es ist sich früh von seiner Mutter abnabeln, sich kühl und emotionslos von dem Geschlecht distanzieren, nur von ihm zu profitieren und Anspruch auf das Geschlecht erheben zu können. Männlichkeit kann eine Todesursache werden. Also lasst sie uns in allen gefährlichen Auswüchsen bekämpfen.
Hilfe-Telefon: 0800 116016